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Elbvertiefung



Kapitelende 

Elbfischer

Die Elbmündung zwischen Hamburg und der Nordsee war eines der produktivsten Gewässer der Welt. Theoretisch könnte mensch hier dreimal mehr Fischmasse pro Hektar ernten als im Wattenmeer. Da das Wasser ruhiger ist als auf dem offenen Meer, kann auch mit kleinen Booten sicher gearbeitet werden. Die Elbfischerei war im Mittelalter von solcher Bedeutung, daß die Hamburger nicht vergaßen, in den angeblich von Kaiser Barbarossa ausgestellten, aber für hohe Bestechung gefälschten  Freibrief vom Jahre 1189 neben der zollfreien Fahrt auf der Elbe auch das Fischrecht einzutragen. Ihre absolute Blüte erlebte die Elbfischerei gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Bis auf den Hafen Hamburg war das Gewässer in einem naturnahen Zustand und brachte reiche Erträge, die auf dem Markt Hamburg von fast einer Million Menschen verbraucht wurden. 

Mit der Industrialisierung, dem Ausbau von Hafen und Wasserstraße, und mit dem ungeklärten Abwasserstrom einer wachsenden Bevölkerung sank die Fangmenge drastisch. Sicher haben auch die Fischer selbst einigen Raubbau betrieben. Als aber immer mehr Betriebe aufgaben und der Befischungsdruck entsprechend abnahm, erholten sich die Fischbestände trotzdem nicht. 1929 antwortete der zuständige Reichsminister auf Beschwerden der Altenwerder Fischer: 

    "...Wie an der Unterelbe die fortschreitende Regulierung des Flußbettes und seiner Ufer in Verbindung mit der Zunahme des Verkehrs großer Schiffe und der Vermehrung der Abwässer der industriellen Besiedlung das Bestätigungsfeld des Fischereigewerbes langsam, aber unaufhaltsam einengt, daß der Zeitpunkt kommen wird, an dem auf großen Flächen der Elbe unterhalb Hamburgs eine Kleinfischerei nicht mehr lebensfähig ist." 
    Der Staat lehnte Entschädigungen ab: "...Der Staat als solcher hat die Fischer nicht geschädigt, im Gegenteil. Er kann den Gang der wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufhalten, hat aber sein möglichstes getan, um die Interessen der angeblich dadurch Geschädigten zu wahren." (Kreiswohlfahrtsamt Harburg-Wilhelmsburg, 1930). 
Beihilfen gab es nur für Betriebe, die aufgaben. 

Auch als 1981 wegen zu hoher Schadstoffbelastungen den letzten Elbfischern die Vermarktung ihrer Fänge von den Behörden so erschwert wurde, daß sie die Fischerei auf der Unterelbe (bis auf Satzaalfang) einstellten, wurden nur "Sterbegelder" gezahlt.  Die Kutterdemonstrationen waren eindrucksvoll, änderten aber (zunächst) nichts. 

 

Das Wasser der Elbe ist mittlerweile sauberer geworden. Der hamburgische Senat hatte sich endlich dazu durchgerungen, ein Klärwerk zu bauen, das die vom Gesetz geforderte Reinigungsleistung bringt. Unter dem Druck der Umweltinitiativen konnten Firmen wie Dow Chemical und die Affi die Umwelt nicht mehr ungehindert vergiften. Die Dreckschleudern in der ehemaligen DDR mußten größtenteils schließen - was jedoch kein Verdienst westlicher Umweltpolitiker ist. Trotz vieler Altlasten am Grund der Elbe hat die Fischerei eine Zukunft, betrachtet man nur die Wassergüte. 

Was die Fischer aufbringt ist , daß mit der Elbvertiefung gleich wieder ein Schritt rückwärts gemacht wird. Wie die Naturschutzverbände und viele Einzelpersonen erhoben sie Einwände gegen den Plan zur Fahrrinnenvertiefung. Am 13. September 1997 demonstrierten die Fischer mit ihren Kuttern in Cuxhaven wie in Hamburg. 

Ebi-der-mit-der-Englandfähre-tanzt, Elbfischerdemonstration 13.9.97 

Die Masse der Kutter kam aus Cuxhaven. Anders als bei Giften und Fäkalien, die an der Elbmündung sehr verdünnt auftreten, treffen die Baggerarbeiten und ihre Folgen die Krabben- und Seezungenfanggründe der Fischer aus Cuxhaven und Friedrichskoog. Gravierende Fangeinbußen werden selbst in den Gutachten zu den Plänen vorhergesagt. Doch formal ändert das nichts an der schwachen Position der Fischer. 

 Ein Industriebetrieb hat ein Recht, (geklärtes) Abwasser in den Fluß zu leiten, d.h. der Staat kann die Genehmigung nicht verweigern, ein Reeder hat ein Recht, sicher eine Wasserstraße zu nutzen (mit den in der globalen Schiffahrt üblichen Schiffsgrößen), nur Fischer  haben keinen juristischen Anspruch, dem der Staat nachkommen müßte. Sie gelten als "Jäger und Sammler", ähnlich wie Eingeborene, Indianer, Aborigines. 


Am 8.12.97 begann die erste Erörterungsrunde der Einwendungen in Hamburg-Schnelsen.  Auch die Elbfischer zogen aus, als der Versammlungsleiter den Beginn der "vorgezogenen Teilmaßnahmen" bekanntgab. In der darauf folgenden Woche demonstrierten die Fischer abermals vor Cuxhaven. Obwohl es von Seiten der Fischer nicht soweit kam, hatten sich die Baggerfanatiker auf eine Blockade vorbereitet. 

Der Baggerstop kam vom Oberverwaltungsgericht Schleswig. Die Fischer hatten der "vorgezogenen Teilmaßnahme" widersprochen. Das OVG wollte erst den Abschluß der Erörterungen abwarten. Die Strombauer hatten es nun mit Verhandlungen mit den Fischern eilig. Neben einer Entschädigung in Höhe von 7 Mio.DM (die auf ca. 60 Betriebe verteilt wird) waren Wasserstraßenverwaltung und das Amt Strom- und Hafenbau bereit, den untenstehenden Vertrag abzuschließen.   Wenn auch nicht in Gesetzesform, so doch juristisch greifbar wird anerkannt, daß Interessen der Elbfischer mit denen anderer Nutzer abzuwägen sind.  Für die Elbfischer ist die Vereinbarung viel mehr noch als die Entschädigungssumme ein sehr großer Erfolg! 


Vereinbarung

zwischen der Wasser-·und Schiffahrtsverwaltung des Bundes,
vertreten durch die Wasser- und Schiffahrtsämter Hamburg und Cuxhaven,
der Hamburger Wirtschaftsbehörde, vertreten durch das Amt Strom- und Hafenbau
und den im Bereich von Unter- und Außenelbe tätigen Fischereibetrieben

zur Erhaltung der Elbfischerei 

Die Fischerei auf der Unter- und Außenelbe hat eine erhebliche Bedeutung für die Region und ist mit ihrer umweltschonenden Technik vorbildlich innerhalb der europäischen Union. Die Erhaltung der Fischerei dient auch dem Umweltschutz, denn sie gewährleistet ein bleibendes Interesse an ausreichender Wassergüte, Artenvielfalt und Leistungsfähigkeit der aquatischen Lebensräume. Sie kann damit zu einer Verbesserung der Gewässerökologie beitragen. 

Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes und die Wirtschaftsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg unterstreichen vor diesem Hintergrund nachdrücklich, daß sie an einer Erhaltung und Stärkung der Fischerei im Elbstrom ein nachhaltiges Interesse haben und Maßnahmen zu deren Förderung ausdrücklich unterstützen werden. Im Hinblick auf die Interessen der Fischerei erklären sie, daß bei anstehenden wesentlichen Maßnahmen im Fahrwasser, sowohl im Elbstrom, den Nebenflüssen aber auch in den zugehörigen Flachwassergebieten sowie den anschließenden Hafenbecken rechtzeitig das Gespräch mit den Fischern gesucht wird, sofern fischereiwirtschaftliche Belange durch die Maßnahmen betroffen sein könnten. Diese Gespräche sollen turnusmäßig einmal im Jahr statt finden, um einen regelmäßigen Informationsaustausch zu gewährleisten oder im Einzelfall möglichst so rechtzeitig vor der Maßnahme, daß die Entscheidung über diese die Gespräche noch berücksichtigen kann. Dabei werden sie die Interessen der Fischerei einbeziehen und soweit wie möglich auch berücksichtigen. Insbesondere werden beide Verwaltungen die Erfahrungen und Kenntnisse der Fischer über Qualität und Umfang fischereilich attraktiver Bereiche in der Tideelbe in ihre Entscheidungen über wasserbauliche bzw. nautische Maßnahmen einbeziehen. 

Seitens der Fischerei wird das Interesse anerkannt, den Hamburger Hafen leistungsstark und konkurrenzfähig zu erhalten. 

Diese Vereinbarung dient dem Anliegen, im Wege wechselseitiger Rücksichtnahme die Fischerei nach Möglichkeit nicht zu schwächen und gleichzeitig die Modernisierung des Schiffahrtsweges nach Hamburg zu erleichtern. 

Dieses vorausgeschickt wird zwischen der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes und der Freien und Hansestadt Hamburg einerseits und den Elbfischern andererseits das Folgende vereinbart: 

  1. Die Vorhabensträger der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Au ßenelbe verpflichten sich, im Hinblick auf die fischereilichen Interessen den Ausbau der Elbe so schonend wie möglich vorzunehmen. Soweit durch den Fahrrinnenausbau Beeinträchtigungen der Fischerei hervorgerufen werden, werden diese in einer gesonderten Vereinbarung mit der Freien und Hansestadt Hamburg geregelt. In diesem Zusammenhang erklären sich die Vorhabensträger bereit, so weit erforderlich und möglich, alternative Fangplätze zu erschließen, die bisher etwa durch Fangverbote oder Fangbeschränkungen verschlossen waren. Bestehende Fangverbote sollen daher mit den Fischern erörtert und, sofern aus nautischer bzw. naturschutzrechtlicher Sicht möglich und fischereiwirtschaftlich nützlich, entsprechend den Interessen der Fischer modifiziert werden; dazu gehört eine Überprüfung der Bekanntmachungen der Wasser- und Schiffahrtsdirektion mit Beschränkungen der Fischerei; dazu können auch gehören z.B. geringe Fahrwasserveränderungen, Fischerei auf den Reeden, Nebenelben und Nebenflüssen.
  2. Zu unter den o.g. Maßgaben vorzunehmenden Modifikationen der Fangverbote und -beschränkungen erklären sich beide Verwaltungen auch dann bereit, wenn durch den Fahrrinnenausbau keine existenzgefährdenden Beeinträchtigungen einzelner Fischereibetriebe hervorgerufen werden. Unabhängig von den Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung erklären beide Verwaltungen, daß sie derzeit nicht beabsichtigen, aus Gründen der Sicherheit des Schiffsverkehrs weitere Fangverbote und -beschränkungen auszusprechen. 
  3. Soweit durch die Elbvertiefung oder andere wesentliche Eingriffe eine Beeinträchtigung einzelner Fischereibetriebe nicht auszuschließen ist, wird anerkannt, daß dies Rechtspositionen der Betriebe entsprechend der Rechtsprechung berühren kann. Hierzu gehören u.a. Fischereirechte nach den Landesfischereigesetzen im Küstenmeer, der Anliegergebrauch sowie sonstiger Gemeingebrauch. Daraus allein ergeben sich noch keine Entschädigungsansprüche.
  4. Im Hinblick auf bestehende und mögliche künftige Fischereiverbote und -beschränkungen im Nationalpark Wattenmeer wird festgehal ten, daß Niedersachsen verbindlich erklärt hat, auf derartige Verbote im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zu verzichten. Darüber hinaus erklärt sich die Hamburger Wirtschaftsbehörde bereit, eine politische Initiative mit dem Ziel, bestehende Fischereiverbote und -beschränkungen im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer alsbald kritisch zu überprüfen, zu unterstützen.
  5. Beide Verwaltungen werden sich nachdrücklich dafür einsetzen, daß bei der Überwachung des Schiffsverkehrs auf Unter- und Außenelbe von den dafür zuständigen Dienststellen Fischereifahrzeuge angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere soll dafür Sorge getra gen werden, daß die durchgehende Schiffahrt von den Verkehrsleitzentralen auf im Einsatz befindliche Fischereifahrzeuge mit dem Ziel hinreichender Rücksichtnahme aufmerksam gemacht wird. Ordnungswidrigkeiten, die durch die durchgehende Schiffahrt begangen werden und für die Fischereibetriebe zu Gefährdungen und/oder Schäden geführt haben und die durch Anzeige bekannt geworden sind, werden durch die beiden Verwaltungen in ihren je weiligen Zuständigkeitsbereichen verfolgt. Die betroffenen Fischer können sich über das Ergebnis der Ermittlungen informieren.
  6. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird sich auch weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen, daß alle erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität und der natürlichen Leistungsfähigkeit der Elbe gemäß den Zielen der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe ergriffen werden, um damit u.a. auch für den Erhalt bzw. die Verbesserung der Lebensbedingungen für Fische Sorge zu tragen. 
Hamburg, den 25.02.1998
 Für das Wasser- und Schiffahrtsamt Cuxhaven: 

Für das Wasser- und Schiffahrtsamt Hamburg: 

Für die Wirtschaftsbehörde, Amt Strom- und Hafenbau: 

Für die auf Unter- und Außenelbe tätigen Fischer als Bevollmächtigter: 


Lesestoff: 

  • Förderkreis "Rettet die Elbe" e.V.: Betr.: Elbfischerei; Broschüre, Eigenverlag 1991



 

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